Wednesday, 7. August 2024

Aufbau des Demonstrationsnetzwerkes Agroforst begonnen

Einrichtung umfangreicher Modellflächen – DeFAF koordiniert Netzwerk

Vier Verbundvorhaben sind jetzt mit dem Ziel gestartet, ein bundesweites Netzwerk aus Modell- und Demonstrationsflächen und -vorhaben zur Agroforstwirtschaft aufzubauen. Koordiniert wird das Netzwerk vom Deutschen Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF).

Insgesamt umfassen die geplanten Agroforstflächen rund 500 Hektar. Zum Teil handelt es sich um neu anzulegende, zum Teil um bereits etablierte Flächen. Letztere stehen als Lernorte und für wissenschaftliche Untersuchungen bereit oder ihr Aufwuchs soll in entstehende Wertschöpfungscluster integriert werden.

In PappelWERT wurden die ersten neuen Agroforstsysteme bereits angelegt, hier eine Pflanzung im April 2024 bei Rerik.
In PappelWERT wurden die ersten neuen Agroforstsysteme bereits angelegt, hier eine Pflanzung im April 2024 bei Rerik.© 3N/Ernst Kürsten

Der Begriff Agroforstsystem beschreibt den in der Regel streifenförmigen Anbau von Gehölzen auf Acker- oder Grünland. Ziel dieser Anbauform ist zum einen die Holzernte für eine stoffliche oder energetische Nutzung oder die Gewinnung von Nahrungsmitteln, zum anderen das Erreichen positiver Wechselwirkungen zwischen den Gehölzen und den benachbarten, landwirtschaftlichen Kulturen oder Nutztieren, die zwischen den Bäumen gehalten werden.

Moderne Agroforstsysteme sind bislang in Deutschland kaum verbreitet. Um dies zu ändern, hatte das BMEL einen Förderaufruf veröffentlicht, um Ergebnisse bereits vorliegender Forschungsarbeiten in der Fläche umzusetzen und so als Blaupause für möglichst viele weitere Standorte bereitzustellen.

Die vier Vorhaben im Einzelnen:

PappelWERT

Im Rahmen von PappelWERT werden sechs Agroforstsysteme mit Pappeln in der Modellregion „Norddeutschland“ auf Acker- und Grünland etabliert und die wirtschaftlich optimalen Maßnahmen zur Bewirtschaftung definiert. Zusätzlich erprobt das Projektteam Wertschöpfungsketten – insbesondere in der stofflichen Verwertung – in Kooperation mit Unternehmen der Holzindustrie aus der Region. Ziel ist es, den Landwirten eine wirtschaftlich interessante und stabile Vermarktung von Pappelholz zu ermöglichen. Die Produktpalette ist breit und umfasst Holzwerkstoffe, z.B. OSB- und MDF- Platten, Furnierholz im Caravanbau, Konstruktionselemente im Gebäude bis hin zu innovativen Holzverbundwerkstoffen. Das 3N Kompetenzzentrum ist Projektpartner. Zum Projektsteckbrief...

MODEMA

Der Deutsche Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF) koordiniert das Vorhaben MODEMA mit insgesamt zwölf Partnern, in dem alle Projekte des Förderaufrufs miteinander vernetzt und die Ergebnisse aufbereitet und kommuniziert werden. Außerdem baut das MODEMA-Team die drei Modellregionen Nord-West, Ost und Süd mit neu angelegten und bestehenden Agroforstsystemen auf. Sie werden durch weitere Neu- und Bestandsflächen in den Projekten PappelWERT, AGROfloW und DigAForst ergänzt (siehe unten). Insgesamt repräsentieren alle Demoflächen eine große Vielfalt an Agroforstsystemen – mit diversen Baumarten für die stoffliche und/oder energetische Nutzung wie auch die Gewinnung von Nahrungs- oder Futtermitteln, in Kombination mit Acker- oder Grünland, mit oder ohne Tierhaltung. Neun Partner aus dem MODEMA-Verbund führen auf den Flächen eine wissenschaftliche Begleitforschung zu Fragen des Pflanzenbaus, der Ökologie und Ökonomie durch.

AGROfloW

Im Fokus der Modell- und Demonstrationsstandorte in AGROfloW steht neben der Dürreprävention und dem Niederschlagserosionsschutz die Einbettung in eine ökonomische und soziale Partnerschaft zwischen Landwirtschaft und Kommunen. Denn Kommunen müssen sich u. a. um den Hochwasser- und Grundwasserschutz, die Gefahrenabwehr z. B. durch Starkregenereignisse sowie die Energiewende im Wärmebereich kümmern. Die Landwirtschaft kann dafür mit Agroforstsystemen Lösungen, sogenannte Mehrnutzungskonzepte, entwickeln und Beiträge sowohl in der Kulturlandschaft als auch mit dem Produkt Holz anbieten. Im Vorhaben wollen die Forschenden deshalb Agroforst-Partnerschaften zwischen Kommunen und Landwirten pragmatisch initiieren und ausbauen, deren Wirkungen analysieren und daraus für beide Seiten faire Wertschöpfungsketten entwickeln.

Die geplanten Demonstrationsflächen liegen in Rheinland-Pfalz, Sachsen und Bayern und kombinieren die Ziele Renaturierung sowie Erosions- und Hochwasserschutz mit der Gewinnung von Energieholz. Beteiligt sind Spezialisten aus Hydrologie und Wasserbau, Agrarwissenschaftler und Ökonomen.

DigAForst

Ziel von DigAForst ist die Anlage von zwei Agroforstsystemen in der Agrarintensivregion in Nordwestniedersachsen und deren dreidimensionale Kartierung, Inventarisierung und Bewertung durch KI-gestützte Robotertechnik. Geplant ist, mithilfe eines autonom navigierenden Roboters einen digitalen Zwilling der Agroforstsysteme zu erstellen, um wirtschaftlich interessante Parameter wie z. B. den optimalen Erntezeitpunkt, den Wert der Biomasse oder die CO2-Bindungskapazität abzuleiten. Damit lassen sich Handlungsempfehlungen für das Management und die Bewirtschaftung der Agroforstsysteme geben. Daneben stehen auch Untersuchungen zu Verwertungsmöglichkeiten für die angebauten Gehölze auf der Agenda. So wird die Eignung des Agroforstmaterials zur stofflichen Verarbeitung und Nutzung z. B. für Holz-Kunststoff-Verbundwerkstoffe überprüft. Schließlich soll das Projekt auch aufzeigen, ob Agroforstsysteme ein nachhaltiges und wirtschaftlich auskömmliches Geschäftsmodell für landwirtschaftliche Betriebe darstellen und welche Chancen und Grenzen sich beim Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten ergeben.

Hintergrund

An die Landwirtschaft werden vielfältige Anforderungen gestellt. Sie soll die Biodiversität in der Agrarlandschaft erhalten bzw. nach Möglichkeit wieder steigern, Beiträge zum Klimaschutz erbringen und sich an die Folgen des Klimawandels anpassen. Gleichzeitig sieht sie sich mit konkurrierenden Raumnutzungsansprüchen, wie der Energiewende, der Wiedervernässung von Mooren, Naturschutz- und Erholungsansprüchen oder der Produktion nachwachsender Rohstoffe, konfrontiert. Vor diesem Hintergrund können Agroforstsysteme ein Baustein hin zu einer nachhaltigeren und dennoch produktiven Landnutzung sein, die unterschiedliche Interessen und Ansprüche an den Raum unter einen Hut bringen. Auch der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) empfahl in seinem 2020 veröffentlichten Landwende-Gutachten eine solche Herangehensweise: „Ein integrierter Umgang mit Land, der die multiplen Ziele zusammendenkt und, wo möglich, auf ein und derselben Fläche realisiert, kann zur Überwindung der Konkurrenzen beitragen“.

Viele Baum- und Heckenstreifen oder Streuobstwiesen wurden wie auch andere Landschaftselemente historisch gar nicht aus Gründen des Umwelt- und Naturschutzes angelegt, sondern mit dem Ziel der Nutzung. Moderne Agroforstsysteme rücken dies wieder in den Vordergrund und sind aufgrund ihrer zahlreichen Ökosystemleistungen besonders geeignet, das sogenannte Trilemma der Landnutzung aufzulösen. Als solches bezeichnet der WBGU die Ansprüche Klimaschutz, Ernährungssicherung und Erhalt der biologischen Vielfalt an die Landnutzung, die schon heute im Wettbewerb miteinander stehen.

Die positiven Effekte von Agroforstsystemen im Hinblick auf Ökologie sowie Klimaschutz und -anpassung, etwa Erosions- und Verdunstungsschutz, Biotopvernetzung, Humusaufbau etc., sind für einzelne Standorte bereits gut belegt oder aus „traditionellen Agroforstsystemen“ bekannt. Es mangelt jedoch noch an Daten für die Gesamtheit der unterschiedlichen Systeme in den verschiedenen Regionen Deutschlands. Ähnliches gilt für die Ökonomie. Mit der Begleitforschung in den Vorhaben des Demonetzwerkes sollen diese zentralen Wissenslücken geschlossen werden.

Quelle: Pressemitteilung der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. vom 7. August 2024